Das erste gewerbliche Schutzrecht für Kaugummi geht auf das Jahr 1869 zurück. Eine Art Kaugummi war aber schon viel früher bekannt: Vor mehr als 9000 Jahren kauten die Menschen im heutigen Skandinavien das Harz von Birken. Für das Jahrtausend vor Christus ist zudem belegt, dass in Indien die Bestandteile des Zahnbürstenbaumes, lateinisch Salvadora persica, der Zahnpflege dienten. Er wächst in den Wüsten Arabiens, Ostafrikas und Vorderasiens. Vom Baum wird ein Zweig abgeschnitten und anschliessend so lange gekaut, bis er fransig wird und als Bürste verwendet werden kann. Seine Zweige sind sowohl Zahn- bürste als auch Zahnpasta, denn der Baum enthält zahnpflegende Stoffe wie Fluorid. Und heute? Ist Kaugummikauen gut für unsere Zähne? Sind Zahnpflegekaugummis gar eine Alternative zum Zähneputzen? Kariesforscher Adrian Lussi beantwortet die häufigsten Fragen.
Herr Lussi, Zahnpflegekaugummis tatsächlich besser für die Zähne als andere Kaugummis?
Ja. Der Grund ist, dass Zahnpflegekaugummis zuckerfrei und stattdessen mit Zuckeraustauschstoffen gesüsst sind. Sie lösen damit keinen Säureangriff auf die Zähne aus. Bakterien im Zahnbelag (auch Plaque oder Biofilm genannt) bauen Zucker zu Säure ab, was dem schützenden Zahnschmelz Mineralstoffe entzieht. So entsteht das «Loch», der Kariesschaden.
Reinigen Zahnpflegekaugummis die Zähne?
Nein. Zwar hat Kaugummikauen eine gewisse mechanische Einwirkung auf den Zahnbelag, es entfernt ihn aber nicht. Dies gelingt nur mit einer Hand- oder elektrischen Zahnbürste. Deshalb empfehlen wir, mindestens zweimal täglich die Zähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta für jeweils mindestens zwei Minuten zu putzen. Kaugummikauen kann dies keinesfalls ersetzen.
Macht es Sinn, Kaugummi zu kauen, wenn ich mir die Zähne nicht putzen kann?
Ja, gerade wenn Sie unterwegs sind, haben Sie vermutlich keine Zahnbürste und Zahnpasta zur Hand. Regelmässiges Kauen von zuckerfreiem Kaugummi trägt zur Kariesprophylaxe bei und ist deshalb insbesondere nach den Mahlzeiten ratsam. Der Grund: Das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi nach dem Essen regt den Speichelfluss an, der zahnschädliche Säuren neutralisiert, Nahrungsreste aus der Mundhöhle spült und die Zahnsubstanz mit Mineralstoffen versorgt. Wird der Speichelfluss nach dem Essen oder Trinken regelmässig angekurbelt, sinkt das Kariesrisiko. Dies belegen aktuelle wissenschaftliche Studien. Demzufolge empfiehlt die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung das Kauen zuckerfreien Kaugummis nach Mahlzeiten – neben zweimaligem Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta und möglichst geringem Zuckerkonsum – als eine von drei Massnahmen, die jeder täglich in Eigenregie umsetzen kann.
Was ist Xylit? Stimmt es, dass Kaugummis, die Xylit enthalten, besonders zahnfreundlich sind?
Xylit (engl. Xylitol) ist ein Zuckeraustauschstoff, der fast die gleiche Süsse wie der Haushaltszucker besitzt. Die Bakterien in der Mundhöhle (bzw. die Plaque) können Zuckeraustauschstoffe nicht abbauen – es entsteht also keine Säure. Einige Studien deuten darauf hin, dass Xylit die Zahl bestimmter, schäd- licher Bakterien reduziert und verhindert, dass sie sich an den Zahnoberflächen festsetzen. In Fachkreisen wird deshalb diskutiert, ob Xylit «besser» als andere Zuckeraustauschstoffe sei. Andere Studien konnten diese Effekte jedoch nicht eindeutig nachweisen. Entscheidend ist: Mit dem Kauen von Kaugummis aktivieren wir die physiologischen Speichelschutzfaktoren.
Einige Zahnpflegekaugummis versprechen weissere Zähne.
Das würde ich eher als Märchen bezeichnen. Sonst müssten die Kaugummis spezielle Inhaltsstoffe enthalten, die abrasiv wirken, und wären aus diesem Grund nicht zu empfehlen. Allerdings können zuckerfreie Kaugummis Zahnverfärbungen vorbeugen. Denn sie erhöhen den Speichelfluss und können dadurch verhindern, dass sich Farbstoffe, die in bestimmten Nahrungs- und Genussmitteln wie Tee, Kaffee, Nikotin, Brombeeren, Heidelbeeren enthalten sind, an die Zahnbeläge anlagern.
Adrian Lussi, Zahnarzt und Chemieingenieur ETH Zürich, ist ein Experte im Bereich der Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin und einer der führenden Kariesforscher im deutschsprachigen Raum.